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Stereoskopische Ausgabe mit 3D-Software ohne Zusatz‑Plug‑Ins

von Björn Kindler

Ist das Aufnehmen echter 3D-Filme durch die Verwendung von Kamerapaaren und deren Synchronisierung mit teils erheblichen Aufwand verbunden, so kann sich der Anwender von 3D-Softwarepaketen im Vergleich fast schon zurücklehnen. Allerdings: Auch hier gilt es einiges zu beachten.

Die im Anschluss genannten Tricks und Techniken werden wir mit Hilfe von Maxon Cinema 4D demonstrieren. Allerdings lassen sich die meisten Verfahren auch auf andere 3D-Programme wie Studio Max oder Blender übertragen. Die entsprechenden Funktionen sind dort, unter Umständen, nur anders benannt.

Grundprinzipien

Auch hier dreht sich alles um die Parallaxe — also die Bildverschiebung, die aus unterschiedlichen Betrachtungswinkeln resultiert. Allein durch den Augenabstand ist das Gehirn in der Lage ein plastisches Bild entstehen zu lassen und Entfernungen zu schätzen. Letztendlich muss man sich nur vorstellen selber in der 3D-Szene zu stehen. Wo wären hier die Augen des Betrachters? In den meisten 3D-Programmen lassen sich virtuelle Kameras in die Szene einsetzen. Diese simulieren unsere Augen. Hat man ein Kamerapaar genau auf Augenabstand und lässt man die Szene berechnen, ist man eigentlich schon fertig — oder? Nicht ganz.

Geklont: Gleiche Werte für beide Kameras

Soweit ist klar: die Kameras müssen nebeneinander platziert werden. Dabei ist erforderlich, dass diese genau die gleiche Y- und Z-Koordinate haben, also gleich hoch und gleich tief positioniert werden. Der Abstand zueinander entspricht dem durchschnittlichen Augenabstand von 6,5 cm. Wer maßstabsgetreu arbeitet, kann diesen Wert direkt über die Koordinaten eingeben. Je nach verwendeter 3D-Software kommen mit dem Kamera-Objekt die unterschiedlichsten Einstellmöglichkeiten. Eine davon ist die Brennweite beziehungsweise der Bildwinkel oder auch Gesichtsfeld genannt (engl. Field Of View). Auch dieser Wert muss für beide Kameras exakt gleich sein. Wenn hier auch nur leichte Differenzen auftreten wirkt sich das später störend auf den 3D-Effekt aus oder macht diesen sogar zunichte.

Kleiner Stolperstein: Wohin „schauen“ die Kameras?

Wie jedoch soll man die virtuellen Kameras ausrichten? Sollen beide auf einen Punkt zeigen? Verwendet man eine lange Brennweite ab 70 mm (bei simulierter Filmgröße von 36 mm, entspricht einem Gesichtsfeld von weniger als 30°), kann man mit diesem Verfahren einigermaßen brauchbare Resultate erzielen. Die Stelle, an der sich die beiden Mittelachsen der Kameras kreuzen, markiert die spätere Bildschirmebene, auch Projektionsebene genannt. Alles, was sich im Projekt zwischen Kameras und dieser gedachten Ebene befindet, wird auch später so angezeigt, als würde es zwischen Bildschirm und Betrachter schweben. Hier sollte man jedoch nicht übertreiben, denn das menschliche Auge lässt sich nur begrenzt überlisten. Vor allem am Bildrand sollte dieser Effekt vermieden werden. Unproblematischer hingegen sind Objekte, die von den Kameras aus gesehen hinter der Bildschirmebene liegen. Der Bildschirmrand wirkt dann wie ein Fenster, hinter dem die 3D-Szene zu sehen ist.

    Stürzende Linien

    Auch wenn die vorangegangene Methode grundsätzlich funktioniert, können bei der Betrachtung so erzeugter 3D-Filme Irritationen auftreten. Wird eine kürzere Brennweite (Weitwinkel) verwendet, sind diese besonders stark — bis hin zum kompletten Zusammenbruch des 3D-Eindrucks. Der Grund dafür sind die „Stürzenden Linien“. Der Begriff ist auch in der Fotografie gebräuchlich und bezeichnet den Effekt der auftritt, wenn Filmebene und Motivebene nicht parallel zueinander stehen. Beispiel: Wird ein Hochhaus mit nach oben geneigter Kamera fotografiert verjüngen sich die eigentlich parallelen senkrechten Gebäudekanten nach oben hin. In der Architekturfotografie behilft man sich hier mit einem so genannten Shift-Objektiv. In unserem Beispiel sind die Kameras leicht nach links oder rechts gedreht — mit der Folge, dass waagerechte Linien, die eigentlich deckungsgleich abgebildet werden müssten, unterschiedliche Winkel aufweisen.

    Parallele Kameras

    Die einfachste Lösung um diesem unerwünschten Effekt entgegenzuwirken ist die parallele Anordnung der Kameras zueinander, stürzenden Linien werden so erfolgreich verhindert. Allerdings muss man hier in der Nachbearbeitung die Bilder zueinander verschieben um die Lage der späteren Bildschirmebene zu bestimmen. Dabei werden zu beiden Seiten die äußeren Bildteile unbrauchbar — das resultierende Bild wird also schmaler, als ursprünglich eingestellt. Man kann nun komplexe Berechnungen anstellen um die korrekten Werte für Gesichtsfeld und die erweiterte Bildgröße in der Waagerechten zu ermitteln. Für den Anfang ist es jedoch einfacher, die horizontale Bildauflösung großzügig auszudehnen und den Film in der Nachbearbeitung zu beschneiden, um auf die gewünschte Ausgabegröße zu kommen.

    Hier heißt der benötigte Parameter „Film Offset“, zu deutsch Filmversatz. Dieser Wert bewirkt, dass der virtuelle Film hinter dem Kameraobjektiv parallel verschoben wird und somit die Projektionsebene entgegengesetzt auf der anderen Seite. Soll diese Verschiebung horizontal erfolgen, müssen die Einstellungen im Feld „Film Offset X“ vorgenommen werden. In unserem Beispiel haben wir für die rechte Kamera den Wert „-5%“ und für ihr linkes Gegenstück den Wert „5%“ verwendet. Beide Kameras bleiben parallel zueinander, „schielen“ aber trotzdem nach innen. Nun muss man nur noch den Abstand zueinander so anpassen, dass sich die Mittelachsen in der gewünschten Projektionsebene schneiden.

    Auch in der kostenlosen 3D-Software „Blender“ gibt es eine entsprechende Funktion. Hier befinden sich — ebenfalls in den Einstellungen für das Objekt „Camera“ — die Eingabefelder „Shift“. Für die waagerechte Verschiebung ist auch hier der Wert bei „X“ zuständig.

    Ausgabe und Weiterverarbeitung

    Es empfiehlt sich immer, beide Kameraansichten in voller Auflösung und in Farbe zu berechnen. Später lassen sich die beiden Sequenzen für links und rechts in die unterschiedlichsten 3D-Formate konvertieren ohne diese neu berechnen zu müssen. Formate gibt es viele. Neben dem Farbanaglyph-Verfahren, das auch für die Bilder in diesem Artikel zur Anwendung kam, existieren auch Ausgabeformate die in Verbindung mit einer Shutter-Brille farbiges 3D-Sehen ermöglichen. 

    Kurz und Knapp: Tipps zum stereoskopischen Rendern

    • Augenabstand: Nicht übertreiben! Bei zu weitem Abstand zwischen linker und rechter Kamera ist der Perspektivunterschied eventuell zu groß um von Gehirn noch verarbeitet zu werden. Zudem erscheinen die abgebildeten Objekte viel kleiner, da sich deren Größe im Verhältnis zum simulierten Augenabstand verringert.
    • Texturen: Nur, wo auch Strukturen sichtbar sind, kann ein Punkt einer bestimmten Raumtiefe zugeordnet werden. In der Realität gibt es keine perfekten Flächen. Texturen sollten allerdings nicht zu kleinteilig sein, damit Interferenzen vermieden werden.
    • Weitwinkel: Auch wenn der Weitwinkel-Effekt beeindruckende Ergebnisse liefert, sollte man die verwendete Brennweite dem normalen Sehen anpassen. In der Fotografie wird eine Brennweite von 50 mm als „Normalbrennweite“ bezeichnet. Bezogen auf eine Filmgröße von 36 mm ergibt das ein Gesichtsfeld von ca. 40°.
    • Kontraste: Je nach Verfahren, mit dem die Bildtrennung für das linke und rechte Auge erfolgt, können zu starke Kontraste zum so genannten „Ghosting“ führen. Gerade sehr helle Objekte, wie Lichtreflexe auf schwarzem Hintergrund, können im Farbanaglyph- Verfahren nicht korrekt getrennt werden und führen zu Irritationen.
    • Konvergenzpunkte: Die Punkte, an denen sich die Blicklinien von linkem und rechtem Auge kreuzen. Konvergenzpunkte, die vor der Projektionsebene liegen, sollten sparsamer verwendet werden und sich nicht mit dem Bildrand schneiden.