Panasonic LUMIX S1H
von Gabriele Lechner & Matthias Bollinger
Nach dem im Frühjahr die S1R für professionelle hochaufgelöste Fotos und die S1 als Hybrid-Kamera für Fotografen und Videofilmer auf den Markt kam, legt Panasonic umgehend nach, mit der spiegellosen Systemkamera LUMIX S1H, die mit ihren speziellen Funktionen auch hervorragend für professionelle Filmproduktionen eingesetzt werden kann.
Laut Panasonic ist die S1H die weltweit erste Kamera, die Videoaufnahmen mit 6K/24p (Seitenverhältnis 3:2) 5,9K/30p (Seitenverhältnis 16:9) oder 10-Bit 60p 4K/C4K ermöglicht. In dieser Kamera hat Panasonic auch einige Funktionalitäten aus der Broadcast Linie des Herstellers eingebaut, so wurde z.B. von der Panasonic Eva1 das große VLog integriert. Auch der ON/OFF-Schalter ist jetzt wie bei Profikameras, vorne angebracht, genauso wie der Filmemacher bzw. seine Protagonisten jetzt vorne ein rotes Licht sehen, sobald die Aufnahme gestartet ist.
Das spiegellose 35mm-Vollformat-Kamerasystem der LUMIX S-Serie nutzt das L-Mount-Bajonett als Objektiv-Anschluss. Damit hat der Anwender bis 2020 Zugriff auf über 45 verfügbare oder geplante Wechselobjektive von Panasonic, Leica Camera und Sigma, darunter 11 LUMIX S/S PRO Objektive. Diverse Objektiv-Adapter (z.B. der SIGMA MC-31) erlauben darüber hinaus den Einsatz weiterer Objektive. So eröffnet das L-Bajonett ein umfangreiches Spektrum an kreativen Möglichkeiten.
Der neu entwickelte 24,2 Megapixel Vollformat-Sensor mit Tiefpassfilter nutzt die Dual-Native-ISO-Technologie mit zwei Grundempfindlichkeiten für minimales Rauschen bei hohen Empfindlichkeiten. Der Dynamikbereich der S1H mit über 14 EV- Stufen entspricht dem Niveau von Kinokameras. Ihr V-Log/V-Gamut ist kompatibel mit dem populären „VariCam“-Cinema-Look.
Zur Bildstabilisation steht der gehäuseintegrierte Body I.S. (5-Achsen) zur Verfügung. In Kombination mit dem O.I.S. (optischer Bildstabilisator 2-Achsen) der LUMIX S Objektive sind Verwacklungen fast ausgeschlossen. Die Schwenkfunktionen des Monitors wurden auch nochmals erweitert und lassen dadurch mehr Spielraum für zusätzliches Equipment.
Neu auch der Waveform-Monitor, der sich per Dreh am Einstellrad über die gesamte Displaybreite vergrößern lässt. Auch das Peaking der S1H kann überzeugen. Interne 6K 10 Bit Aufnahmen und unbegrenzte 4K 50 p 10 Bit Aufnahmen erfordern den zusätzlich integrierten Lüfter, der extrem leise ist, aber durch zusätzlichen Platzbedarf das Gehäuse etwas vergrößert. Auf dem Statusdisplay auf der oberen Kameraseite werden mehr filmrelevante Informationen angezeigt als bei der S1, z.B. Bildrate, Verschlusswinkel, Aufnahmemodus, Sensorausleseformat, Aufnahmeformat, Bittiefe usw.
Neu: An der Blitz Syncro Buchse lässt sich jetzt auch ein Timecode Signal für externe Geräte generieren oder in die S1H einlesen (TC IN und TC OUT). Dadurch werden Synchronisierungen mit anderen Geräten möglich - ein passendes BNC Konvertierungskabel liegt der Kamera bei. Überzeugend ist auch die Akkuleistung des im Lieferumfang enthaltenen 7,4V Akku (BLJ31), der mit einer Kapazität von 3050 mAh/23 Wh weit über den Kapazitäten der Konkurrenz liegt und den man fast nicht leer bekommt. Die S1H ist mit einem internen hochwertigen Stereo-Mikrofon ausgestattet. Externe Mikros können über die Stereo-Miniklinke oder über den Hot-Shoe XLR-Adapter angeschlossen werden. Der Preis des Kamerabodys liegt bei 3999,00 Euro.
Wir waren von der S1H und dem Gesamtkonzept der Kamera sehr angetan und baten DoP Matthias Bolliger zum Interview, um seine Erfahrungen zur S1H, die er während einer Filmproduktion sammeln konnte, mit unseren Lesern zu teilen.
Matthias, Du hast bereits seit ein paar Wochen die Panasonic S1H zum Testen? Welche Neuheiten hat sich Panasonic einfallen lassen, um die S1H auch im professionellen Filmbereich einsetzbar zu machen?
Ich denke das Gesamtpaket ist für eine Kompaktkamera sehr stimmig geworden. Ein Vollformat Sensor mit hochwertigem internem 4:2:2-Recording, Dual native ISO, LUT-Management & Preview, TC In-/Out und optionalen anamorphotischem Modus … Da ist ‘ne Menge drin.
Wenn man sie mit einer Profikamera, z.B. der ARRI Alexa vergleicht, wo kann sie mithalten und was fehlt noch?
Nun mit einer Alexa oder einer Varicam mag ich die Kamera nicht vergleichen, da sprechen wir schon äußerlich von einem anderen Formfaktor. Aber eine Ergänzung am Markt ist sie allemal. Klein, kompakt und voller Features. Was ich mir noch wünschen könnte, ist z.B. die Möglichkeit, auf dem ausklappbaren Display die Kamera-Statusübersicht anzeigen zu lassen, während im Sucher das Videobild zu sehen ist. Diese Aufteilung ist bis jetzt noch nicht möglich.
Du arbeitest mit sog. LUTs (LookUpTables) - also vordefinierte Farbprofile, die Einfluss auf die farbliche Grundstimmung eines Films nehmen, also praktisch das Color grading teilweise schon vorweg nehmen. Kannst Du unseren Lesern kurz erläutern, wie man LUTs einrichtet und wie sie mit der Panasonic S1H zu benutzen sind?
Ich erstelle LUTs im Vorfeld einer Produktion meist in DaVinci Resolve. Diesen Look exportiere ich dann über die Funktion „Generate 3D-LUT“ in verschiedenen Kontraststufen als Panasonic vlt. Dieses file ins Stammverzeichnis einer SD-Karte kopiert, kann dann direkt in der Kamera gelesen und aufgerufen werden. Wie die grösseren Schwestern Varicam LT und Varicam35 kann die Kamera dann LUTs im Sucher und/oder dem Videoausgang darstellen.
Gibt es noch Punkte, die man Deiner Meinung nach verbessern könnte?
Es gibt immer was zu verbessern ;-). Ideal wäre es z.B. wenn die aufrufbaren SMPTE-Farbbalken auch für die technische Einstellungen des Kameradisplays und -suchers nutzbar wären. Rufe ich die Einstellung-Optionen der Displays auf, ist der eingeschaltete Farbbalken schon wieder automatisch deaktiviert.
Wie ist Dein Gesamteindruck und für wen ist die Panasonic S1H in erster Linie gedacht?
Die S1H ist ein richtiges Vollformat Low-Light Baby geworden. Es ist eine ideale Kamera für ambitionierte Videografen und eine perfekte Ergänzung als B- oder C-Cam am professionellem Set. Vielen Dank für das Interview!
DoP Matthias Bolliger
DoP Matthias Bolliger wurde 1975 in der Schweiz geboren. Seit seinem Filmstudium im Bereich “Kamera/Bildregie” in Zürich, Berlin und Hamburg arbeitet er als lichtsetzender Kameramann für szenische und dokumentarische Produktionen sowie im Image-/Werbefilmbereich.
2007 drehte er „Chiko“ mit Regisseur Özgür Yildirim und Fatih Akins Produktionsfirma Corazón International. „Chiko“ wurde 2008 für den „Deutschen Kamerapreis“ nominiert und erhielt im folgenden Jahr zwei „Deutsche Filmpreise“. 2011 realisierte er als DoP den Hip-Hop Musikfilm „Blutzbrüdaz“ mit Rapper Sido in der Hauptrolle. 2012 drehte Matthias Bolliger unter der Regie von Özgür Yildirim die erste Folge des neuen NDR „Nord-Tatort“ mit Wotan Wilke Möhring, dessen Fall „Feuerteufel“ bei der Erstausstrahlung im April 2013 über zehn Millionen Zuschauer erreichte. Im gleichen Jahr verantwortete er eine stereoskopische Langzeitdokumentation für ZDF/Arte über den Deutschen Astronauten Alexander Gerst und seine Weltraummission auf der Internationalen Raumstation ISS und war einer der DoPs bei der Musikfestival-Kinodokumentation „Wacken 3D“ (2014).
Danach folgte die Bildgestaltung der Bestseller-Verfilmung „Boy7“ der holländischen Jugendbuchautorin Mirjam Mous mit David Kross und Emilia Schüle in den Hauptrollen. 2015 setzte er einen weiteren Nord-Tatort mit Wotan Wilke Möhring und seiner neuen Ermittlungs-Partnerin Franziska Weisz um und drehte danach mit Regisseurin Katrin Gebbe die Eventfolge des Tatort Freiburgs mit Heike Makatsch. 2016 starteten die Dreharbeiten zu „16 levers de soleil / 16 sunrises“, einer Langzeitdokumentation über den französischen ESA-Astronauten Thomas Pesquet,- dies als Multiformat-Projekt, gedreht für TV/Kino, Full-Dome/Planetarium und VR/360. Im Herbst fotografierte er Özgür Yildirims neuen Kinospielfilm „Nur Gott kann mich richten“ mit Moritz Bleibtreu, Edin Hasanović und Birgit Minichmayr in den Hauptrollen. Im Sommer 2017 starteten die Dreharbeiten zum dritten Nord-Tatort mit Wotan Wilke Möhring. 2018/19 drehte er die zweite und finale dritte Staffel der Erfolgsserie „4 Blocks“ mit Kida Khodr Ramadan in der Hauptrolle.
Matthias Bolliger unterrichtet u.a. an der Hamburg Media School (HMS), der Filmakademie Baden-Württemberg sowie an der Internationalen Filmschule Köln (IFS) und schreibt als Fachautor für die Zeitschrift „Film- & TV Kameramann“. Er ist Mitglied der Deutschen Filmakademie.